Agnostische (Un)logik
April 10th, 2009
Die agnostische Position ist normalerweise die Position einer gewissen Denkfaulheit. Der Agnostiker sagt nämlich, dass die Frage, ob ein “Gott” existiere, nicht zu entscheiden sei. Das ist natürlich absurd. Wenn der zunächst leere Begriff “Gott” als gasförmiges Wirbeltier definiert ist, kann man sehr gut zeigen, dass so etwas nicht existiert oder existieren kann. Es hängt also alles an der Definition.
Monotheisten sind wenigstens so konsequent zu ihrem Gotteswahn zu stehen und zu sagen, dass es einen oder mehrere “Götter” gebe, weil es so etwas gar nicht geben könne. Schwachsinnig aber nicht unüblich.
Agnostiker haben da eine ganz andere, deutlich perfidere Strategie. Diese verdeckten Monotheisten behaupten nämlich steif und fest, dass es Götter durchaus geben könne, dass man sie aber noch nicht getroffen hätte und deshalb nicht sagen könne, ob sie existieren. Man wisse auch nicht, was dieses “Gott” eigentlich sei, möglich sei es aber auf jeden Fall.
Das ist natürlich genauso unsinnig wie die konsequent monotheistische Position – aber deswegen perfider, weil der Agnostiker vor allem dann entrüstet aufschreit, wenn der Realist sagt, dass es definitiv keine “Götter” gibt. Dann echauffiert man sich, dass der Realist doch gar nicht wisse, was dieses “Gott” eigentlich sei und dass man doch deshalb auch nicht behaupten könne, dass es definitiv nicht existiere. Bittet der Realist nun um eine Definition dieses “Gottes”, um es fein säuberlich widerlegen zu können, wird der eben so aufgebrachte Agnostiker scheu wie eine alte Jungfer und verbittet sich jede weitere Nachfrage.
Diese Agnostiker sind also die größten Feinde der Atheisten. Warum das so ist, wird in einer Diskussion im Brightsblog klar. Meinen letzten Kommentar zum Thema muss ich leider hier veröffentlichen:
Ok, ich erklär kurz, warum diese Diskussion wichtig ist und dann nochmal, wie das zu verstehen ist, was ich im letzten Kommentar geschrieben habe.
Manche Menschen stellen sich im Leben verschieden große Fragen. Zu diesen großen Fragen gehört auch die, was man tun soll und darf. Woran soll man sich bei seinen ethisch-moralischen Urteilen orientieren. Weltanschauungen geben – je nach Ausrichtung – verschiedene, mehr oder weniger einfache Antworten.
Wenn der Monotheismus richtig läge und irgendein Jahwe/Gott/Allah unsere Geschicke nach heiligen Büchern ordnen und uns in einem Jenseits für Missetaten strafen würde, würde man sein Leben unter Umständen damit verbringen müssen – manchmal mit Gewalt – zu streiten, welche heilige Schrift authentisch ist und wie der ganze Kram ausgelegt werden müsste.
Man müßte unter Umständen absurde Speise- und Feiertagsorschriften einhalten, die Geschlechtsteile von Kindern verstümmeln und Andersdenkende ermorden.
Aus diesem Grund stellt sich die Frage, ob man sich das nicht einfach sparen kann – auch wenn Milliarden Menschen einem solch absurden Treiben nachgehen und es aus Gründen unserer allzu menschlichen Neigung zur Konformität sehr schwer fällt, sich gegen einen solche Übermacht zu stellen. (Wie muss es wohl Antifaschisten im 3. Reich ergangen sein?)
Als Skeptiker ist man sich außerdem darüber im Klaren, dass man immer falsch liegen könnte, mit seinen Annahmen über die Welt. Deshalb prüft man sie immer und immer wieder und hofft auf soviel Widerspruch wie möglich. Trifft man jemanden, der mit seinen Hypothesen die eigenen Hypothesen infragestellt, so prüft man diese – vor allem, wenn es um eine so spannende Hypothese geht, wie die von der angeblichen Existenz übernatürlicher Männer.
Wenn einem erbitterten Gegner in der Diskussion dann irgendwann die Argumente ausgehen und der dazu übergeht, zu schmähen und Kompetenz infragezustellen, dann ist das – das kann ich nicht verhehlen – für mich auch außerordentlich wohltuend. 🙂
Nun noch einmal kurz zur Erklärung der Erklärung:
Ich bleibe mir selbst durchaus treu.
Der Urzustand ist zunächst, dass ich über X gar keine Behauptung aufstelle. X ist eine Variable, die nicht mit Bedeutung gefüllt ist und deshalb auch gar nicht in relevanter Form gedacht oder diskutiert wird.
Dann kommt irgendwann irgendjemand daher und sagt, X sei existent oder möglich.
Dieser Jemand definiert X z.B. als Widerspruch, z.B. als viereckigen Kreis. Man kann dann zeigen, dass es so etwas nicht gibt.
Im Laufe der Zeit trifft man auf immer mehr Menschen, die behaupten, es gäbe X (also viereckige Kreise) auf jeden Fall. All denen zeigt man, dass es so etwas nicht gibt.
Dann kommt jemand, der behauptet, dass all die Darlegungen der Widersprüchlichkeit von X unzutreffend sind und dass X auf jeden Fall möglich sei
Da X üblicherweise als viereckiger Kreis definiert ist, versucht man zunächst zu zeigen, dass dass kontradiktorisch ist. Der Jemand, nennen wir ihn “Es”, behauptet aber nun, dass X gar kein viereckiger Kreis ist, sondern etwas ganz anderes und deshalb auf jeden Fall möglich sei.
Man sollte das große Mißverständnis verstehen. “Es” behauptet, X sei auf jeden Fall möglich. Und jeder, der glaubt, “Es” meine mit X einen viereckigen Kreis, freut sich – oder ärgert sich, je nachdem.
Aber “Es” meint offenbar gar keinen viereckigen Kreis. Er meint scheinbar etwas ganz anderes. Um es von jeder Widerlegung zu immunisieren unterlässt er aber jede Definition und behauptet weiter steif und fest, X sei möglich und man könne auf keinen Fall behaupten, X sei unmöglich, man wisse ja schließlich nicht, was X sei.
Das ist intellektuelles Hütchenspiel.
“Es” lockt seine Diskussionspartner in die Falle, indem er behauptet, ihm ginge es ernsthaft um die Diskussion der Existenz von X, also üblicherwiese eines viereckigen Kreises. Nach einem kurzen Schlagabtausch stellt “Es” fest, dass die Definition von X als viereckiger Kreis natürlich absurder Unsinn und dass X natürlich völlig anders definiert und deshalb auf jeden Fall möglich sei.
Wenn also jemand behauptet, X sei unmöglich so sei er ein Lügner und Betrüger. Überrascht fragt man “Es” nach seiner Definition von X, die “Es” mit Verweis auf die Inkompetenz des Gesprächspartners aber strikt verweigert.
Und “Es” geht sogar noch weiter: Er wirft alle seine sonstigen Prinzipien über den Haufen und behauptet steif und fest, dass X vor allem deswegen nicht als unmöglich bezeichnet werden dürfe, weil es grundsätzlich gar nicht definiert werden kann und genau deshalb und nur deshalb als auf jeden Fall möglich zu erklären sei.
Eine solch absurde Logik verstehe ich nicht. Aber vielleicht hat El Schwalmo ja Recht, wenn er behauptet, dass seine Logik noch nie meine Stärke gewesen sei.
April 10th, 2009 at 12:14
Ich verwehre mich gegen die Behauptung, ein “verdeckter” Monotheist zu sein. Ich bin Agnostiker, dass heißt, in letzter Konsequenz gehe ich davon aus, dass man nicht wissen kann, ob es einen Gott gibt. Dass die Götter der Heiligen Schriften widersprüchlich sind, ist kein Widerspruch zur agnostischen Position. Man kann sehr wohl anerkennen, dass es diese Götter nicht gibt, und Agnostiker sein. Ich halte es für unwahrscheinlich, dass es einen Gott gibt, aber glaube nicht, dass es sich, wenn man die Grenzen der großen Religionen verlässt, ausschließen lässt.
April 10th, 2009 at 12:18
Ok, definiere “Gott”! 😉
April 10th, 2009 at 14:09
Erster Verursacher.
April 10th, 2009 at 14:17
Dann bist Du kein Agnostiker, sondern Deist.
Definiere “Erster Verursacher”!
April 10th, 2009 at 14:47
Ich bin kein Deist nur weil ich Gott für möglich halte. Ebenso, wahrscheinlich sogar eher, könnte es ihn nicht geben.
WaWas soll ich biei erster Verursacher noch definieren? Er eben die Welt geschafen? Determiniert. Interderminiter. Eingreifend. Abwesend. Wurscht, aber denkbar.
April 11th, 2009 at 00:12
Ah, ok, es gibt “ihn” also noch?
Weil etwas denkbar ist, ist es (noch) nicht möglich. Ein viereckiger Kreis, ein verheirateter Junggeselle oder ein schwarzer Schimmel sind denkbar aber nicht möglich.
Da das Sein keinen Anfang hat und nicht geschaffen wurde, gibt es auch keinen “unbewegten Beweger”, der es geschaffen haben könnte.
Welche Eigenschaften hat denn Dein ausgedachter “unbewegter Beweger”?
April 11th, 2009 at 11:25
Hier gibt’s eine agnostische Kritik an Dawkins:
Kritik an Dawkins:
“Wenn Dawkins fragt, “Warum sollte jemand im Namen eines nicht vorhandenen Glaubens in den Krieg ziehen?”, liegt die Antwort auf der Hand: Weil die anderen glauben, weil er, wie Dawkins, davon überzeugt ist, daß alle ohne Religion besser dran wären. Oder eben weil dieser jemand überzeugt ist, die Argumente der anderen wären verkehrt.”
http://www.classless.org/2009/04/10/richard-dawkins-der-gotteswahn-1
April 11th, 2009 at 12:10
nonono, du verstehst es nicht, oder?
ich bin z.B. kein briefmarkensammler. bringe ich deshalb jemanden um, der briefmarken sammelt? nein!
ich bin aber staatsbürger, kritisiere ich deshalb die meinung von jemandem, der einen krieg, der mich und meine familie töten könnte, aufgrund dieser meinung entfesseln will? ja!
begreifst du den unterschied zwischen friedlichen – wenn auch zornigen ARGUMENTEN und menschenverachtenden VERHALTEN, wie terror und krieg, durchgeführt von politisierten religionen???
April 11th, 2009 at 19:40
Es ist völlig egal welche Eigenschaften der unbewegte Beweger sonst so hat, es ist nicht auszuschließen, dass es es soetwas gibt. Das ist alles was ich sage.
April 11th, 2009 at 23:08
Nein, Thomas, das ist nicht egal. Denn der Begriff “unbewegter Beweger” ist in sich widersprüchlich.
Etwas “Unbewegtes” gibt es nämlich definitiv nicht, weil Kausalität kein beliebig ablegbares Prinzip, sondern eine absolute, quasi naturgesetzliche Notwendigkeit ist.
Alles uns Bekannte und für uns sinnvoll Erfassbare in diesem Universum hat eine Ursache. Ein Ding ohne Ursachen ist so unmöglich wie ein viereckiger Kreis.
Wenn Du mit “unbewegter Beweger” etwas anderes meinst, als “ursachenfreies real existierendes Objekt”, das bestimmte überprüfbare Eigenschaften besitzt, die Du mir nennen könntest, könnte ich Dir auch empirisch beweisen, dass es diesen angeblichen “UB” nicht gibt.
April 12th, 2009 at 23:03
Wenn es sich bei dem, was du beschreibst um “Religiosität” handeln würde, dann wäre ich komplett deiner Meinung. So – durch dieses systematische Aufbauen eines schwachen Strohmannes auf den du dich dann stürzt – läuft deine Kritik untertourig.
April 12th, 2009 at 23:14
Nein, sebastian, ich versuche herauszufinden, ob es sich um einen Popanz handelt. Und wenn es einer ist, stecke ich ihn in Brand.
April 15th, 2009 at 13:21
@sapere aude: Schöner Ausgangsartikel, 100% Zustimmung.
@Thomas: „Erste Ursachen“ kann es nur im Indeterminismus geben.
Zudem weist ein Schöpfer als erste Ursache keinerlei Erklärungswert auf, er ersetzt nur ein Glied in der Kette. Er verstößt damit massiv gegen das wissenschaftliche Sparsamkeitsprinzip.
Die Annahme einer ersten Ursache verstößt außerdem gegen das Kausalgesetz und den Energieerhaltungssat. Bezüglich beider Punkte lässt sich keine logisch konsistente wissenschaftliche Theorie aufstellen.
Logisch denkbar sind zumindest vom Prinzip her Wurmlochtheorie oder die neueste von Stephen Hawking vertretene Variante.
http://freenet-homepage.de/Naturalismus/Wurmloch.html
Eine wilde Schöpfer-Theorie im Sinne einer ersten Ursache kann daher auch nicht dadurch das wissenschaftliche Sparsamkeitsprinzip umgehen, dass keine anderen logischen Erklärungen denkbar wären.
April 15th, 2009 at 13:22
Zudem ist die Beschreibung „erster Beweger“ keine Gottesdefinition, sondern nur die Behauptung von Indeterminismus.
Juni 16th, 2009 at 14:39
ich denke der agnostiker, wie ich, schließt von vorneherein aus dass die religionen wahr sein könnten, denn schließlich hat keiner von denen einen blassen dunst wie gott aussehen könnte, und trotzdem machen sie sich ein bild von ihm… ich denke “gott” könnte es auf einer ebene, einer dimension geben die sich unserer realität entzieht, das wiederum würde aber heißen,dass gott, falls er existiert, nicht real ist^^
also im grunde wissen wir nur dass wir gott nicht erfassen können, und wir sollten davon ausgehen dass es keinen gibt da die antwort auf diese frage unsere realität sowieso auf keinen fall tangiert
Juni 20th, 2009 at 17:26
synthetic darkness, wenn Du annimmst, dass es ein “Gott” auf einer “Dimension, die sich unserer Realität entzieht” gibt, dann erzählst Du – mit Verlaub – Unsinn.
Denn entweder gibt es etwas, worüber wir reden können. Aber dann entzieht es sich nicht unserer Realität – oder es gibt einen Bereich, der sich unserer Realität entzieht. Und über den können wir GAR NICHTS sagen.
Auch nicht, dass sich darin irgendwelche Dinge “möglicherweise” befinden “könnten”.
Wenn Du den Begriff “Gott” benutzt, dann meinst Du damit etwas. Aber in dem Moment, in dem Du damit etwas ausdrücken oder benennen oder beschreiben willst, entzieht es sich nicht mehr Deiner Realtät.
Also: Entweder ist ein “Gott” möglich. Dann muss er notwendig den Naturgesetzen gehorchen und beweisbar sein – oder der Begriff “Gott” ist sinnlos, da er – angewendet auf den Bereich “der unserer Realität nicht zugänglich ist” – nichts bezeichnet.
Götter sind also weder möglich, noch existent.