Woran glaubt ein Atheist?
August 15th, 2008
“Wer ohne Religion lebt, muss nicht auf Werte, Spiritualität und Trost verzichten.” meint man bei Deutschlandradio Kultur. Dort hat man das Buch von André Comte-Sponville gelesen. Comte-Sponville versucht zu zeigen, dass man auch – ja gerade – als Atheist auf nichts verzichten muß. [Weiterer Beitrag des DLR auch als MP3-Datei]
Und Comte-Sponville spricht in seinem Werk ein Problem an, an dem der naturalistische Atheismus seit Anbeginn schwer trägt, seiner vermeintlichen existentialistischen Gefühlskälte, dem vielgescholtenen überheblichen Intellektualismus und dem scheinbar lieblosen Utilitarismus. Vernunft und Gefühl werden gemeinhin als Gegensätze bezeichnet; ein ethisch beispielhaftes Leben in Nächstenliebe und Barmherzigkeit gilt als unvereinbar mit der Ablehnung von Wundern, Schicksal und sonstigen übernatürlichen Phänomenen.
Und so macht sich jeder Atheist, der von Trost, Einheit, der Aufhebung des Ego, dem Schweigen bzw. dem einfachen Sosein und der Gegenwart als Ewigkeit oder von Gelassenheit spricht natürlich verdächtig. Ist er nicht im Grunde religiös?
Dem Deutschlandfunk ist die
“atheistische Spiritualität, die Comte-Sponville als Kniefall vor der Erhabenheit der Natur anempfiehlt, nichts weiter als eine kirchenlose Religiosität.”
Und teilweise hat man dort auch Recht mit dieser Diagnose. Atheismus erlaubt eine Mystik ohne Übernatürliches, eine Spritualität ohne Übersinnliches, Trost und Vertrauen ohne Gott.
Also, woran glaubt ein Atheist?
Er glaubt an Dinge, Ereignisse, Ziele für die es begründete Indizien, Beweise, Hintergründe gibt. Er glaubt an seine Irrtumsfähigkeit, er glaubt aber auch an seine Einsichtsbereitschaft. Er glaubt an sein Dasein, an die Liebe, an die notwendige Ordnung der Dinge, ohne einen supernatürlichen Ordner oder Erfinder.
Auch ein Atheist will die Namensgebung seines Kindes zelebrieren, das Bekenntnis zu einem Lebensbund aufwendig feiern und in Würde bestattet werden.
Auch ein Atheist bedarf der Seelsorge, der Gemeinschaft, des liebevollen Akzeptiertseins. Auch Atheisten kennen selbstverständlich Gefühle, Erlebnisse und Handlungen der Demut, Ehrfurcht und des Erstaunens vor Großem, Erhabenem und Schönem. Aber bedarf ein intensives ästhetisches Empfinden eines Gottes? Braucht die tiefe Verzückung beim Hören eines musikalischen Meisterwerks, die innere Befreiung bei der Betrachtung weiter Landschaften und die Erregung bei der Berührung eines begehrten Menschen, den Glauben an Übernatürliches? Bedürfen diese ach so menschlichen Gefühlsregungen einer unnatürlichen Erklärung und Begründung? Nein! Denn sie erklären sich – jedem der daran interessiert ist – ausgezeichnet mit naturwissenschaftlichen Begriffen.
Als Basis einer atheistischen Weltanschauung gilt auch die Überzeugung, dass wir Teil eines großen Ganzen sind, das sich nicht in Begriffe wie Gut und Böse, Schön und Hässlich fassen läßt. Kategorien, von Menschen genutzt, in ihrer Unfähigkeit das Absolute zu erfassen.
“Die Elemente meines Körpers sind der Staub erloschener Sterne, das Erbe von Riesensternen, die irgendwann ineinander stürzten und ihre Bestandteile weit ins tiefe Universum schleuderten, wo sie mit kosmischer Materie neue Sterne zeugten – so wie auch die Erde. Dank dieses weitgereisten Sternenstaubs verbrennt das Kraftwerk unserer Zellen unsere Nahrung und schenkt uns für eine kostbare Weile Energie. In uns glimmen Abermilliarden winziger Flammen, Abglanz längst verloschener Sternenfeuer aus den Weiten des Universums, in uns, den Gliedern einer kosmischen Kette, in der nicht nur für Sterne, sondern auch für uns jedes Ende auch immer ein Anfang ist.”
Nach Gottfried Schatz
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